Der Hund des Teufels

Eines abends als wir wieder gemütlich beisammen sassen, erzählte uns Onkel Wilhelm seine wahren Erlebnisse. Er erlebte am meisten wenn er aus der Gastwirtschaft Scharlow kam und sich nur noch unsicher auf den Beinen halten konnte. Sein Haus stand genau gegenüber von unserem Friedhof, kurz vor der Kleinbahnhaltestelle. Also, er kam aus der Destille, bog an der Kreuzung Rahn, Tranow nach rechts ab um nach Hause zu gelangen. Als er mitten auf der Kreuzung war, sah er aus den Augenwinkeln, mit ganz verschwommenem Blick plötzlich einen grossen schwarzen Hund neben sich hergehen. Mein Onkel Wilhelm war nicht dumm, er wusste sofort das hier etwas nicht mit rechten Dingen zu gehen konnte. Im gleichen Augenblick war er nüchtern als ob er keinen tropfen Alkohol zu sich genommen hätte. Er wusste genau das dies der Hund des Teufels war. Grösste Vorsicht war also geboten. Er betete still zu Gott das er ihm helfe sicher und gesund nach Hause zu kommen, wo seine Frau, unsere Tante Emma doch auf ihm wartete. Er wusste auch sofort das dieser Hund ihm bis zur nächsten Kreuzung begleiten würde. sollte er es auch nur einmal wagen seinen Blick nach rechts oder links schweifen zu lassen, würde der Teufel sofort mit ihm in die Hölle fahren. Er betete laufend weiter und versprach dem lieben Gott nie wieder Alkohol zu sich zu nehmen. Den ganzen Weg schaute er nur gerade aus. Als sie am Friedhof ankamen, war der Hund genau so geheimnisvoll verschwunden wie er gekommen war. Tante Emma die auf ihren Mann gewartet hatte, war erstaunt und gleichzeitig erschrocken als der Onkel mit einem schrei ins Haus stürzte, voll angezogen mit samt den Schuhen ins Bett sprang, die Decke über den Kopf zog und sich bis zum nächsten Morgen nicht mehr rührte. ( Sein Versprechen, keinen Alkohol mehr anzurühren hat er leider nicht gehalten und der grosse schwarze Hund der dem Bauer Schulz gehörte lief noch so manches mal durch das ganze Dorf.)

   Anekdoten2

Onkel Wilhelm

Hund des Teufels

Bauer und Gastwirt Scharlow mit seiner Frau

Gaststatte

Als Kinder sind wir gerne zum Scharlow gegangen, kauften uns eine Zitronensprudel und er schenkte uns manchmal Schokolade. An den Wochenenden wurde hier auch oft getanzt. Natürlich traf sich hier das ganze Dorf. Die Frauen und Mädchen sassen auf der einen Seite und die Männer und Jungen gegenüber. Nur Eheleute setzten sich zusammen an einen Tisch. Auch Filmvorführungen gab es in diesem Saal. Zuerst Stummfilme, später die ersten Tonfilme von Pat und Patachon

Osterwasser

Zu Ostern war es bei uns üblich das die Mädchen in aller Frühe bevor der Hahn krähte, zum kleinen Bach gingen und sich dort Osterwasser zum waschen holten. Es war reiner Aberglaube der ihnen sagte das sie hübscher werden würden wenn sie sich darin waschen würden. Dieser Glaube sagte ihnen aber auch, dass es nur wirken kann, wenn nicht ein einziges Wort über ihre Lippen kam bis sie sich gewaschen hatten, danach sollten sie ein wunderschönes Aussehen bekommen. Die Mädchen waren auch am frühen Morgen pünktlich am kleinen Bach, keine von ihnen gab auch nur einen Ton von sich. Als wir sahen das alle ihr Wasser geschöpft hatten und nach Hause gehen wollten, sprangen mein Cousin Richard und ich mit Geschrei aus dem Gebüsch. Einige der Mädchen liessen vor schreck ihr Wasser fallen und einige schrieen laut auf und verfluchten uns. Der Bann war gebrochen sie schnatterten alle durcheinander und schimpften mit uns. Am Ende sahen sie ein das sie wieder ein Jahr warten mussten um schöner zu werden.

Oben: Elisabeth Voigt und Christel Kell

unten: Friedchen Kort, Grete Kort und Irmgard Voigt

Dorfmädchen

Die falschen Masern

Der alte Friedhof aus vergangener Zeit lag auf dem Kirchengrundstück direkt hinter der Kirche, er war gleichzeitig ein geeigneter Spielplatz für uns Kinder. Wir sammelten dort Kastanien, schüttelten die Haselnüsse von den Bäumen und konnten bequem auf der Feldsteinmauer stehend die reifen Pflaumen von Wilke seinen Bäumen pflücken. Wir spielten hier auch Gendarm und Räuber. Eines Tages als wir wieder eilig über den Friedhof liefen war Fritz Buchholz urplötzlich verschwunden. Es war, als ob ihm die Erde verschluckt hätte. Wir riefen laut nach ihm und hörten ihm jammernd antworten: “ Ich bin hier unten! “ Es hörte sich an als ob die Antwort aus der Erde kam. Tatsächlich war er über ein altes Grab gelaufen welches unter seinem Gewicht einstürzte und ihm mit in die Tiefe riss. Als wir ihm fanden lag er unten in der Gruft, mit ihm die ganzen Brennesseln die vorher an der Oberfläche der Erde gewachsenen waren. Sofort halfen wir und befreiten ihm aus dieser misslichen Lage. Jetzt war er nur noch am jammern und kratzte sich am ganzen Körper. Es brennt ganz fürchterlich sagte er und ging nach Hause. Er hatte genau wie wir alle, nur eine Turnhose an und war also mit dem ganzen Körper in die Brennessel gefallen. In der gleichen Nacht kam Fritz seine Mutter und wollte wissen ob wir auch die Masern hätten. Ihr Fritz ist schon am ganzen Körper mit Pickeln übersät, ist am jammern und sein Körper fühlt sich ganz heiss an. Als meine Mutter mich weckte um nachzusehen ob ich auch die Masern hätte, erzählte ich ihr die ganze Geschichte von dem Grab und den Brennesseln. Beide Mütter atmeten erleichtert auf und Fritz seine Mutter ging beruhigt wieder nach Hause. Ein kleines Nachspiel hatte die ganze Angelegenheit doch. Das Fritz drei Tage nicht zur Schule gehen konnte war ein Glückszustand für ihm und traurig war er darüber auch nicht. Danach kam aber für uns das dicke Ende. Fritz seine und meine Mutter waren sich einig das wir eine kleine Strafe verdient hätten, denn wir hatten sie einen gewaltigen Schrecken versetzt. Sie nahmen uns mit zum Friedhof, setzten sich auf den Rasen und wir mussten das Grab wieder zu schaufeln.

Diese Aufnahme von unserer Kirche in Dischenhagen habe ich 1977 gemacht. Hinter der Kirche lag auch der alte Friedhof. Die Russen hatten die Kirche als Pferdestall benutzt.

Kirche Dischenhagen 1977

Ein kalter Schlag

Es war ein heisser schwüler Sommertag als wir uns bei meiner Tante Emilie ( die Schwester von meinem Vater ) trafen. Da es Sonntag war und wir nicht aufs Feld mussten sassen wir gemütlich beim Kaffee trinken zusammen. Da es zu warm war hatten wir alle Türen und Fenster geöffnet, damit ein klein wenig Zugluft durch den Raum ging. Auf einmal gab es einen Donnerschlag, so gewaltig das wir glaubten der Blitz hat eingeschlagen. Im gleichen Moment schwebte eine rote Feuerkugel, etwa so gross wie ein Fussball ganz langsam durch die Küchentür, kam ins Wohnzimmer, durchquerte dieses und verlies uns durch das offen stehende Fenster. Da wir uns alle vor schreck auf den Boden geworfen hatten, erhoben wir uns jetzt, gingen nach draussen um nachzusehen was für ein Schaden entstanden war. Wir konnten aber nichts entdecken und gingen wieder ins Haus, machten aber als erstes alle Türen und Fenster zu. Die ganzen Räume stanken furchtbar nach Schwefel. Es war ja auch nur ein kalter Schlag gewesen. Onkel Wilhelm behauptete aber es war eine Warnung für uns, der Teufel wollte uns holen, konnte uns aber nichts anhaben weil wir regelmässig in die Kirche gingen

Geselligkeit

Von der Hexerei

Wenn man von Dischenhagen nach Lüttmannshagen gehen wollte, kam man an dem Sportplatz und anschliessend an der Schonung vorbei. Hatte man diesen kleinen Wald hinter sich gelassen, stand rechte Seite das erste Haus von Lüttmannshagen. Hier wohnte die Familie Retzlaff. Die alte Oma wohnte mit im Haus und hatte ein schönes Hobby, sie sammelte Puppen jeglicher Art und fertigte auch selbst welche an. Eines Tages hatte sie den Gedanken ihre Puppen ins Fenster zu stellen damit sich die Mitmenschen auch daran erfreuen können. Was für ein fataler Fehler. Kaum standen die Puppen im Fenster als auch schon die Gerüchteküche brodelte. Hinter hervor gehaltener Hand wurde gleich erzählt die Grossmutter kann hexen, was natürlich nicht stimmte. Es wurde gesagt, falls man einen Feind hat den man den Tod wünsche, brauche man nur zu ihr zu gehen. Sie fertige dann eine Puppe die diese Person darstellen soll an und die Oma sticht jeden Tag einmal mit einer Nadel in die Puppe. Der Stich muss an der Stelle erfolgen wo das Herz bei einem Menschen sitzt. Eines Tages würde der entsprechende Mensch dann an Herzversagen sterben. Durch diesen Aberglauben der in unserem Dorf herrschte, und auf uns als Kinder übertragen wurde hatten wir natürlich furchtbare angst wenn wir an diesem Hof vorbei gingen. War es abends dunkel, rannten wir in panischer angst dort vorbei. Es ergab sich eines Tages das ich beim Pilze sammeln eine ältere Frau traf die mir gleich erzählte welche Pilze essbar und welche giftig sind. Vom ersten Augenblick an war mir diese Frau sehr sympathisch und wir verstanden uns ausgezeichnet. Ein paar Tage später als ich wieder am Hof von Retzlaff vorbei ging sahen wir uns wieder als sie auf dem Hof stand und mir zurief ob ich nicht Lust hätte zu ihr zu kommen. Ohne irgendwelche Bedenken ging ich zu ihr und wurde freundlich empfangen. Bei der Gelegenheit zeigte sie mir auch ihre Puppensammlung und freute sich das sie jemand gefunden hatte den sie ihre schönen Puppen zeigen konnte. Von diesem Augenblick an hatte ich auch keine angst mehr.

Der Aberglaube ist so eingebürgert das immer nur getratscht wird.

TRATSCHEN

Kugelblitze

Eines abends als ich mich verspätet hatte und mit dem letzten Zug von Stettin um 23 Uhr den Bahnhof in Kantreck erreichte, war ich froh das meine Geschwister mich abholten. Es war sehr dunkel und Strassenlaternen gab es bei uns nicht. Wir waren gerade an dem Retzlaff seinem Haus vorbei als meine Schwester zu schreien anfing und zum Retzberg rüber schaute. Wir sahen auch dort hin und staunten nicht schlecht als dort eine Feuerkugel in der Grösse eines Fussballes aufstieg und über der Erde schwebend hinter Retzlaff seiner Scheune verschwand. So schnell uns unsere Beine tragen konnten rannten wir nach Hause. Dieses Ereignis beschäftigte uns lange Zeit und wir erzählten auch allen Dorfbewohnern davon. Ungläubig lächelnd schauten sie auf uns herab und gingen ihre Wege. Einige Zeit später als ich mit meiner Mutter, Onkel Robert und Else Becker in unserem Garten hinter dem Haus standen und uns unterhielten, geschah das Gleiche. Wieder stieg am Retzberg eine Feuerkugel auf schwebte über die Felder und verschwand hinter der Gärtnerei Bohnenstengel. Diesmal hatten es auch drei erwachsene Personen gesehen, endlich würde man uns glauben. Das Gegenteil trat ein, sofort ging das Gerücht durch das Dorf das auch die Alte Frau Bohnenstengel einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hätte. Onkel Robert suchte aber immer noch nach einer Erklärung und sprach mit dem Bürgermeister Robert Eggert und dem Lehrer Erich Ewald. Wer von denen es dann weiter gemeldet hat kann ich nicht sagen, nur eines Tages erschienen zwei Experten aus unserer Kreisstadt Cammin um dieses Phänomen zu enträtseln. Es kam wie es kommen musste. Nach kurzer Zeit hatten sie das Rätsel auch gelöst, es stellte sich heraus das im Retzberg noch Eisenerze lagerten. Früher wurden hier, genau wie auch in Priepkendorf Eisenerze abgebaut und nach Hammer geschafft, wo damals die Schmelzhütte war. Zog ein Gewitter auf, so kam es zu Energieaufladungen die sich in Form von Kugelblitzen entluden. So einfach war die Erklärung und trotzdem starb der Aberglaube in unserem Dorf nicht aus.

Irmgard Winter, Irmgard Voigt, Wally Habeck und vorne Waltraud Winter, im Hintergrund sieht man die Gärtnerei Bohnenstengel

Der Angelschein

War der Fischhändler aus Stepenitz einmal nicht gekommen und die Mutter wollte unbedingt Fisch essen, musste ich zum Gubenbach gehen und meine Angel auswerfen. Diese Angel hatte ich selbst gefertigt, sie bestand aus einem abgeschnittenen Weidenzweig an welchem ich eine Schnur befestigte. Ein Flaschenkorken mit einem Federkiel diente als Schwimmer, am Ende der Schnur hatte ich einen Angelhaken befestigt auf dem ich einen Piratz (Regenwurm) zog. Einen Eimer nahm ich noch mit um die geangelten Fische besser transportieren zu können. Heute war ein besonders guter Tag zum angeln. Wir hatten Hochwasser, der Gubenbach war über die Ufer getreten und hatte die Wiesen überschwemmt und es regnete etwas. Eine kleine trockene Stelle die wie eine Insel aus dem Wasser ragte erregte meine Aufmerksamkeit, sie lag direkt am Fluss und die musste ich nur erreichen. Also zog ich meine Hose, Schuhe und Strümpfe aus, watete durch das Wasser bis ich die trockene Stelle erreicht hatte und zog meine Sachen wieder an warf die Angel aus und brauchte nur noch zu warten das die Fische beissen. Es dauerte auch nicht lange bis ich den Eimer halb voll hatte. Gerade wollte ich Schluss machen als mich eine befehlsgewohnte Stimme erreichte: “ Voigt komm sofort rüber und zeig mir deinen Angelschein .“ Als ich aufsah erblickte ich unseren Gendarmen (Polizist) Kaläne auf der Brücke stehen. Was wollte der von mir? Einen Angelschein, was ist das überhaupt? Ich hatte noch nie von so einem Schein gehört. Ich musste mir ganz schnell etwas einfallen lassen um nicht meine Fische los zu werden, es konnte ja sein das er gerade Appetit auf Fische hatte und wollte mir die weg nehmen. Meine Antwort war darum auch kurz und bündig. “ Herr Kaläne natürlich habe ich einen Angelschein kommen sie nur her und sehen sie ihn sich an! ” Ich wusste genau das er sich keine nassen Füsse holen wollte und darum nicht rüber kommen würde. Du kommst sofort hier her rief er mit barscher Stimme. Ich fragte ihm aber ganz freundlich, ob er will das ein so kleiner Junge wie ich ertrinken soll, ich kann erst wieder nach Hause wenn das Hochwasser zurück gegangen ist. Er wartete noch eine ganze Weile und sah zu wie ich Fisch um Fisch angelte und mein Eimer sich langsam füllte. Endlich setzte er sich auf sein Fahrrad und fuhr weiter. Ich konnte jetzt auch endlich nach Hause gehen. Meine Mutter schimpfte noch mit mir wo ich mich solange rumgetrieben hätte, freute sich aber über meinen guten Fang. Am nächsten Tag als ich zur Schule ging und die erste Stunde begann holte der Lehrer Ewald seinen Rohrstock vom Schrank und sagte Voigt komm nach vorne. Ich wusste gar nicht wie mir geschah, ich hatte doch ein reines Gewissen und mir nichts zu schulden kommen lassen darum sagte ich zu ihm ich hab doch nichts getan. Er sagte nur, bücken und auf die Bank legen, ich will dir doch nur einen Angelschein geben. Jetzt ging mir ein Licht auf, der Gendarm war zum Lehrer gegangen und hatte gepetzt. Der Hintern tat mir noch lange weh aber ich hatte jetzt endlich einen offiziellen Angelschein. Sollte ich noch jemals nach einem Angelschein gefragt werden konnte ich jetzt mit ruhigem Gewissen sagen das der Lehrer Ewald mir einen gegeben hat. Noch heute im hohen Alter angle ich gerne und habe keinen anderen Angelschein als den vom Lehrer Ewald.

Kalane
ANGLER

Das Gefecht auf dem Dachboden

Lehrer Ewald hatte die Veranlagung, alles zu machen was andere nicht taten. Es fing schon damit an das er nur einen Arm hatte, alle anderen Menschen hatten zwei. Seinen rechten Arm hatte er im ersten Weltkrieg in einer Schlacht verloren. Zu seinen Besonderheiten gehörte auch das er Wein anbaute. Die Südseite der Schule war vom Boden bis zum First mit Weinranken bewachsen. Wenn die Zeit kam das die Weintrauben reif waren schmeckten uns die Weintrauben auch sehr gut. Wir Kinder von geringer Körpergrösse waren dann für den unteren Bereich zuständig und holten uns auch jedes Jahr unseren vermeintlichen Anteil ohne das uns der Lehrer erwischte. Da der ganze Hausgiebel voller Trauben hing, blieb genug für Lehrer Ewald um einen guten Wein anzusetzen. Auf seinem Dachboden hatte er den Wein in Ballons stehen. Hatte der Wein seinen Gärungsprozess vollendet, musste er in Flaschen umgefüllt werden. Als es so weit war sagte er zu Kurt Martins und mir: ”ich kann euch beiden sowieso nichts mehr beibringen denn ihr wisst ja doch immer alles besser als ich, kommt also mal mit. ” Er ging mit uns auf den Dachboden, nahm einen Schlauch saugte daran und steckte das andere Ende des Schlauches in eine Flasche. Ist die Flasche voll braucht ihr den Schlauch nur in die nächste Flasche zu stecken und so weiter. Nachdem er bei der nächsten Flasche zugesehen hatte und es wunderbar klappte, ging er wieder nach unten. Kaum waren wir alleine als uns der Schlauch durch eine unvorsichtige Bewegung aus dem Ballon rutschte. Wir hatten es ja gesehen wie es gemacht wird damit der Wein wieder fliesst. Da wir noch sehr verspielt waren und unsere Aufmerksamkeit immer öfter nach lies, waren wir gezwungen den Schlauch immer wieder neu anzusaugen, je öfter wir das taten um so fröhlicher wurden wir. Wir saugten nicht nur, sondern nahmen auch jedesmal einen kräftigen Schluck bevor wir den Schlauch in die nächste Flasche schoben. Das Leben wurde auf einmal so schön und sorgenfrei wie noch nie. Neugierde und Übermut ergriffen Besitz von uns, Lehrer Ewald war im ersten Weltkrieg (1914 - 1918) Feldwebel bei den Soldaten gewesen und hatte in diesem Krieg seinen rechten Arm verloren. Nach dem Krieg bekam er den Posten eines Schulleiters. Wir stöberten umher und fanden alte Bücher, Möbel, Bilder, Malereien und eine alte Truhe. Sofort öffneten wir diese und unsere Herzen schlugen schneller als wir den Inhalt sahen, eine alte Soldatenuniform, Gasmasken, Seitengewehre, Trommelrevolver, Orden und Säbel fanden wir darin. Wir hatten sofort die ganze Welt um uns herum vergessen und sahen uns schon als tapfere Männer in den Krieg ziehen. Als wir dann jeder einen langen Säbel in unsere Hände hielten, wussten wir gleich das wir zu Kriegern geboren sind. Die Säbel wurden gekreuzt und das grosse Gefecht auf dem Dachboden begann. Mit Waffengeklirr und lauten schreien führten wir einen erbitterten Kampf. Jeder versuchte als Sieger aus dieser Schlacht hervor zu gehen. Als ich zum entscheidenden Schlag ausholte, packte eine kräftige Hand zu und entriss mir den Säbel. Das Gleiche geschah mit Kurt. Wie durch eine Nebelwand erkannten wir Lehrer Ewald. Er hatte einen Gesichtsausdruck wie ich ihn bei ihm noch nie gesehen hatte. Heute weis ich das es Angst und Sorge um uns war, wie leicht hätten wir uns verletzen können und wenn bekannt geworden wäre was hier vor sich gegangen ist hätte man ihm vielleicht von der Schule verwiesen. Er nahm uns mit und wir bekamen Tee zu trinken und etwas zu essen. Als wir wieder nüchtern waren, war er nicht böse mit uns, bat uns aber mit keinem Menschen darüber zu reden was wir auch nicht taten. Schade nur das wir nie wieder Wein abfüllen durften

FLASCHEN FÜLLEN
FECHTEN

Der Klapperstorch und das Schützenfest

Einmal in jedem Jahr wurde bei uns das Schützenfest auf dem Sportplatz in Dischenhagen gefeiert. Neben dem Sportplatz war auch gleich der Schiesstand für Klein Kalieber und Luftgewehre. Natürlich nahmen alle Einwohner der Gemeinde daran teil. Unsere Mutter war zu diesem Zeitpunkt nach Stettin zu unserem Vater gereist. Ich muss hinzufügen, mein Vater war Seemann und lag mit seinem Schiff gerade im Hafen. Wir waren alleine zu Hause, wollten aber das Schützenfest nicht versäumen. Wir zogen kurze blaue Hosen und schneeweisse Marineblusen dazu an. Da es noch viel zu früh war gingen mein Bruder Gerhard und ich zu unserem Nachbar Schulz und präsentierten uns stolz damit uns alle bewundern konnten. Wir stellten uns an der Giebelseite der mit Ried bedeckten Scheune auf und warteten der Dinge die da kommen sollten. Lange brauchten wir auch nicht zu warten bis etwas geschah, wir hatten nämlich vergessen das über uns ein Storchenpaar wohnte. Urplötzlich schickte einer dieser Störche einen Gruss von oben, es war genau so als ob jemand einen Eimer Kalk über uns schüttete. Wir liefen nach Hause und weinten bitterlich denn so konnten wir nicht zum Schützenfest gehen. Unsere Schwester Irmgard tröstete uns und hatte auch sofort eine Lösung für dieses Problem. Mama nimmt immer schwarzen Kaffe um Flecken zu entfernen. Gesagt, getan, oh weh, plötzlich hatten unsere schönen weissen Blusen eine eigenartige Farbe angenommen, die gleiche Farbe hatte auch unser Misthaufen auf dem Hof. Da die Reinigung unserer Blusen so gut gelungen war zogen wir gemeinsam los zum Schützenfest. Die Sonne strahlte vom Himmel, genau wie alle Menschen die wir begegneten und uns so sonderbar lächelnd begrüssten. Die grosse Aufmerksamkeit mit der man uns betrachtete erfüllte uns mit stolz und machte uns glücklich. Sollte es vielleicht doch mit unseren schönen Blusen zusammen hängen? Was soll es, wir wollten nur glücklich sein und überhörten darum auch so manche spöttische Bemerkung. Inzwischen hatten die Männer mit dem schiessen begonnen und die Frauen versuchten sich im Tauben stechen. Eine Holztaube, am Kopf mit einem Nagel versehen, wurde an einem Seil hängend von den Frauen auf eine Scheibe geworfen. Wir Kinder mussten eine Pfingsttaube abwerfen. Dies war ein bemalter Holzvogel, bestehend aus Rumpf, Kopf, Zepter und Flügel. Befestigt war er auf einer hohen Stange und musste nach und nach heruntergeworfen werden. In diesem Jahr wurde ich der Sieger und ich glaube der Storch musste das vorher schon gewusst haben denn warum sollte er uns sonst mit so viel Glück bekleckert haben? Die Männer hatten auch ihr Schiessen beendet und Schützenkönig wurde wiedermal der Klaus, der auch der Hauptmann der Schützen war.

Storchennest

Lehrer Ewald auf dem Sportplatz in Dischenhagen

Ewald Nr.1

Besinge sammeln

War die Zeit gekommen das die Besinge (Blaubeeren) reif waren, gingen die Mütter mit ihren Kindern in den Wald um diese zu sammeln und den grössten Teil davon zu verkaufen. Es war ein mühsames Geschäft, den ganzen Tag in gebückter Haltung, in der einen Hand einen Korb tragen und mit der anderen Hand die Beeren pflücken. Abends kam der Händler in den Wald gefahren und kaufte alles auf. Für eine Metz (ein Metzkorb hatte 3 Liter Inhalt) gab es zwei Reichsmark. Wir Kinder schafften eine Metz am Tage, es konnte nicht mehr sein da wir die meisten der Blaubeeren selbst gegessen hatten. Die Erwachsenen schafften an einem Tag vier bis sechs Metzkörbe. Da wir mit kurzer Hose, freiem Oberkörper und barfuss durch den Wald streiften, waren wir ein Lebensquell für tausende von Mücken. Wir machten uns einen Spass daraus, den Mücken zu gestatten sich mit unserem Blut voll zu saugen und dann schlugen wir sie tot. Abends war unser Gesicht ganz blau von den vielen gegessenen Blaubeeren und Arme und Beine rot vom Blut der erschlagenen Mücken. Zwischen den Beinen gaben sich die Holzböcke (Zecken) ein Stelldichein. Zwischen zehn und zwanzig fanden wir immer..

Besingwagen

Winterfreuden auf dem Eis

Jedes Jahr im Herbst begannen bei uns die Überschwemmungen. Der Gubenbach trat über seine Ufer und überschwemmte alle anliegenden Wiesen. Setzte dann der Frost ein, brauchten wir nur noch zu warten das die Eisschicht dick genug war um uns tragen zu können, ohne das wir im Eis einbrachen. Es wurde Schlittschuhe gelaufen oder auch nur über das Eis gerutscht. Wer auch das nicht konnte, baute sich einen Pickschlitten. Es war ein Brett, so gross das man gerade mit zwei Füssen darauf stehen konnte. Darunter waren zwei Kufen befestigt, an deren Unterseite ein Draht befestigt war, damit man auf dem Eis schneller gleiten konnte. Jetzt stellte man sich auf diesen kleinen Schlitten, nahm einen Stock, der an seinem unteren Ende einen Nagel hatte zwischen die Beine und stiess sich damit auf dem Eis ab, um fahrt aufzunehmen. Mit der Zeit waren wir genau so schnell als auf Schlittschuhen. Später reichte uns das auch noch nicht, wir nahmen eine Stange in unsere Hände, befestigten ein Bettlaken als Segel daran und glitten über das Eis. Wir brachen alle Geschwindigkeitsrekorde und manchmal auch einen Arm oder das Bein.

PICKSCHLITTEN

Der Engelsgesang

Wasserleitungen gab es bei uns nicht, (auch heute im Jahre 2007 gibt es hier noch keine Wasserleitungen) darum hatten wir mitten auf dem Hof einen Brunnen gegraben und eine Pumpe darauf gesetzt. Damit die Pumpe im Winter nicht einfrieren sollte, wurde sie ganz mit Stroh und Kartoffelsäcke umwickelt. Nur der Pumpenschwengel, welcher aus massivem Eisen bestand brauchte nicht gegen Frost geschützt werden. Durch auf und nieder bewegen dieses Schwengels wurde das Wasser nach oben befördert. Als ich einmal im Winter mit meiner etwas feuchten Hand diesen Schwengel berührte, klebte ich sofort daran fest. Ich riss zwar meine Hand sofort zurück aber etwas von meine Haut blieb doch am Schwengel kleben. In der gleichen Minute erschien zu ihrem Pech meine Cousine Hilde auf dem Hof, sie hatte noch gesehen wie ich meine Hand zurück riss. Sie fragte neugierig was mir passiert ist, ich sagte ihr nur, ich glaube ich habe die Engel im Himmel singen gehört wenn du auch diesen Engelsgesang hören willst brauchst du nur einmal an diesem verdammten Pumpenschwengel zu lecken. Ich dachte doch nicht das sie das auch machen würde denn sie war immerhin sieben Jahre älter als ich. Kaum hatte ich das ausgesprochen als sie auch schon mit ihrer Zunge den Pumpenschwengel berührte, den Kopf zurück riss und einen fürchterlichen Schrei ausstiess. Die Haut von der Zunge war am Pumpenschwengel kleben geblieben und das Blut lief ihr aus dem Mund. Ich bekam es mit der Angst zu tuen, was hatte ich da wieder angestellt? Ihr Vater kam aus dem Haus gestürzt und als er sah was geschehen war trafen mich kurz seine Blicke, sofort ergriff ich die Flucht. Hinter mir hörte ich noch seine gewaltige Stimme: ”du Düwell ick hau di dot” (du Teufel ich schlage dich tot) Meine Cousine tat mir ja leid, sie hatte tagelang furchtbare schmerzen zu ertragen und konnte auch nichts essen. Ich hatte ein schlechtes Gewissen und machte die nächste Zeit immer einen grossen Bogen um Hildes Vater. Immer war ich wachsam und behielt ihm immer im Auge, sofort die Flucht zu ergreifen sollte er sich mir nähern. Nach einiger Zeit sprach er mich an und sagte mir das er der Meinung ist das die Hilde selbst schuld ist, da sie doch sieben Jahre älter sei und sie hätte wissen müssen das so etwas geschehen würde.

Meine Cousine Hilde Voigt

HILDE
PUMPE LECKEN
GUNERKIND
BOHNENSTENGEL 1

Pommerland ist Heimatland

Friedhof Dischenhagen

Anekdoten3

Anekdoten2