Anekdoten3

Die Ferkel und der Teufel

Es war wieder so weit das wir neue Ferkel holen mussten. Als im November der erste Frost auftrat hatten wir unser letztes Schwein geschlachtet. Wir hatten Blutwurst, Leberwurst und Mettwurst hergestellt. Die Mettwurst kam zusammen mit Schinken und Speck in die Räucherkammer. Rippchen, Eisbein und das übrige Fleisch wurde in eine Tonne eingepökelt damit wir das ganze Jahr etwas davon hatten. Ein kleiner Teil des Fleisches wurde auch in Weckgläser eingekocht

Wir hatten jetzt Januar, es war bitter kalt und der Schnee bedeckte die ganze Landschaft, als meine Mutter zu mir sagte: “ Junge wir müssen heute ein paar neue Ferkel holen. “ Meine Mutter holte einen Sack aus dem Schuppen und ich meinen Schlitten damit wir die Ferkel nicht tragen mussten.

Wir machten uns auf den Weg zu meiner Mutter ihrer Schwester, die in Klein - Russland wohnte. Klein - Russland nannten wir den Teil von Lüttmannshagen welcher hinter dem Hasenberg begann. Das erste Siedlungshaus gehörte der Familie Frank das Letzte der Familie Pydde. Dies war meine Mutter ihre Schwester, also meine Tante Auguste. Da die meisten dieser Siedler aus Russland eingewandert waren hatte dieser Teil von Lüttmannshagen seinen Namen mit Recht erhalten.

Die beiden Schwestern hatten sich vieles zu erzählen und verschwanden sofort im Haus. Um mich kümmerten sich meine Cousins Arnold und Reinhard. Arnold hatte im nahe liegenden Wald Schlingen ausgelegt und er wollte diese kontrollieren ob er etwas gefangen hatte. Zum Glück war kein Tier in eine Schlinge getreten. Wir streiften durch die Wälder bis es dunkel wurde. Meine Mutter schimpfte mit mir weil wir so spät zurück gekommen waren, ging aber mit meiner Tante in den Stall, steckte zwei Ferkel in den Sack und legte den Sack mit seinem quietschenden Inhalt auf den Schlitten und sagte nur “ jetzt zieh !”

Es war eine wunderbare kalte Nacht, der Mond stand in voller Grösse am Himmel und die Sterne funkelten am Firmament. Da es bei uns noch keinen elektrischen Strom gab hatten wir auch keine Strassenbeleuchtung. Während wir uns unterhielten marschierten wir durch ganz Lüttmannshagen, überquerten den Gubenbach und gingen weiter auf der Strasse die von Kantreck nach Dischenhagen führte. Als wir das letzte Haus von Lüttmannshagen in welchem Retzlaff wohnte hinter uns gelassen hatten mussten wir nur noch am Waldesrand der dortigen Schonung vorbei sein, um am Sportplatz vorbei unser Dorf Dischenhagen zu erreichen. Wir hatten aber noch nicht ganz den Wald hinter uns gelassen als ein Radfahrer furchtbare Schreie ausstossend auf uns zu raste und uns bat ihm nicht alleine zu lassen. Ich erkannte meinen Schulkollegen Fritz Bohnenstengel der mit mir in der gleichen Klasse war. Er geht keinen Schritt mehr alleine und wir möchten ihm doch nach Hause begleiten. Meine Mutter sagte zu ihm er möge sich doch erst beruhigen und uns sagen vor was er so grosse angst hat. Er berichtete uns ganz aufgeregt er hat auf der Strasse einen Sack liegen gesehen und wollte nachsehen was darin war, als er sich aber dem Sack näherte begann ein Ohren betäubendes Geschrei und ein Gequatsche. Es hörte sich so an als ob der Teufel mit seinem ganzen Gefolge ein Fest in der Hölle feierte und er ist überzeugt davon das der Höllenfürst mit in dem Sack steckte. Meine Mutter und ich schauten gleichzeitig auf unseren Schlitten und rannten sofort los um unsere vom Schlitten gefallenen Ferkel wieder zu holen. Fritz rannte aber laut heulend alleine nach Hause und lies vor lauter angst sogar sein Fahrrad liegen. Als wir den nächsten Winter wieder schlachteten und von dem Schweinefleisch assen sagte meine Mutter plötzlich zu mir: “ heute gibt es einen Teufelsbraten zu Mittag “ aus lautem Hals mussten wir darüber lachen aber der Braten schmeckte hervorragend.

Zum armen Sünder

Ich erinnere mich auch an eine Geschichte die mir mein Schulkollege Gerhard Riemer eines Tages erzählte. Es handelt sich um einen Teil des Waldes der den Namen “ Zum armen Sünder “ bekam.

Ein Landstreicher, auch Schnorrer genannt, tippelte mit seiner Ziehharmonika in jedem Frühjahr, so um die Zeit, wenn Kartoffel gepflanzt wurden, von der Stadt Gollnow wo er sein Winterquartier hatte, in Richtung Norden. Es soll ein lustiger und Musik liebender Mensch gewesen sein. Auf die Frage, wo die Reise hingehe, kam die Antwort: “ An die See, dort gehen die Geschäfte besser. “ Wenn nun Der Sommer und die Badesaison vorbei und man bei der Kartoffelernte war, zog er den selben Weg zurück in die Stadt. Manche Bauern sahen es gar nicht gern wenn er auf dem Kartoffelfeld einige Stücke auf der Harmonika spielte, da er doch nur, wie sie meinten, die Frauen von der Arbeit abhielt. Er war beliebt und bekannt, hatte er sich einmal verspätet, fragte man sich, wo bleibt nur der Schnorrer mit seiner Harmonika. Eines Jahres, die Kartoffel waren fast ausgemacht, der lustige Geselle ward aber noch nicht gesehen, brachten die Waldarbeiter die traurige Nachricht, dass man im Wald an dem kleinen Wasserlauf mit dem schönen Namen “ Klingendes Wasser “ den Mann neben seiner Ziehharmonika liegend, seiner Barschaft beraubt, erschlagen aufgefunden hätte. Alle die ihn kannten ging das sehr nahe, auch wenn er sich aus dem Brotkorb der Bauern öfter mal selbst bediente. In unserer Heimat war die Redewendung oft zu hören: O Gott, der lustige Kerl, er war doch nur ein kleiner armer Sünder “. Und so nannte man dieses Waldgebiet, wo man ihn gefunden hatte, von nun an “ Armer Sünder “. Zwischen Gollnow, Pribbernow, Amalienhof, Hammer und Dischenhagen war dieses Blaubeergebiet unter diesem Namen bestens bekannt. War es mit den Blaubeeren im Revier der Försterei Honigkaten nicht gut bestellt, hiess es: “ Auf zum armen Sünder “ Hier fand man garantiert welche. Blaubeeren nannte man bei uns in Dischenhagen “ Besing “ andere nannten sie auch Bickbeeren oder Heidelbeeren.

Schnorrer

Die Sage vom klingenden Wasser

Auch diese Begebenheit erzählte mir mein Schulkollege Gerhard Riemer aus Hammer.

Wahrheit: Ein kleiner Bach mit dem schönen Namen “ Klingendes Wasser “ verläuft auch heute noch aus den Pribbernower Wiesen kommend in Richtung Köckeritz und mündet bei Stepenitz in dem Gubenbach. Köckeritz ist heute nur ein Einzelgehöft.

Die Sage: An diesem kleinen Wasserlauf lag einst ein ganzes Dorf mit Namen Köckeritz, dessen Bewohner reiche Bauern und Handwerker waren. Sie glaubten mit ihrem Geld alles kaufen zu können. Sie liessen die Kirche verfallen, der Glaube an Gott ging ihnen verloren und der Reichtum war für sie das Grösste, dass Selig machende. Auch einige Missernten konnten sie nicht zur Besinnung bringen. Bald darauf folgten sintflutartige Regenfälle und liessen das Dorf mit samt seiner Kirche unter Wasser versinken und für immer verschwinden. Im Laufe der Jahre ging das Wasser wieder zurück. Übrig blieb ein kleiner Wasserlauf. Gläubige Menschen die sich heute an diesem Wasserlauf aufhalten, können zu bestimmten Zeiten das Läuten der Glocken, des einstigen Köckeritz aus grosser Tiefe in dem plätschernden Wasser hören. Junge Ehepaare die das Läuten hören können demnächst mit Nachwuchs rechnen. Auch gläubige junge Liebespaare die das Glockengeläut hören, werden bald vor dem Traualtar stehen. Bald darauf hatte dieser kleine Wasserlauf seinen Namen. Man nannte ihn nur noch: “ Klingendes Wasser ”.

Diese schöne Sage wurde von Gerhard Riemer seiner Grossmutter erzählt, die eine geborene Wilke aus Pribbernow war.

Der Mann Gottes in der Tonne

Es war Weihnachten im Jahre 1895. Es war bei uns so Brauch, dass alle Einwohner des Dorfes, ausser ganz kleine Kinder die noch nicht laufen konnten, zum Gottesdienst in die Kirche gingen. So auch meine Grosseltern. Da mein Vater erst 11 Monate alt war musste er zu Hause bleiben. Mein Vater seine Schwester die 6 Jahre alt war sollte bei ihm bleiben und für ihm sorgen.

Es dauerte auch nicht lange bis etwas unvorhergesehenes eintrat. Ein süsslich, ekelhafter Geruch zog durch den Raum. Als meinem Vater seine Schwester, meine Tante Emilie, ihrer Nase folgend bei ihrem Bruder Karl eintraf, sah sie die Bescherung. Karl hatte unter sich gemacht und er bemühte sich noch weiter zu erleichtern indem er so kräftig drückte das ihm bald die Augen aus dem Kopfe kamen. Als meine Tante dieses sah, bekam sie es mit der Angst und rannte so schnell sie konnte zur Kirche. Als sie die Kirchentür öffnete, sah sie den Pastor oben in seiner Kanzel stehen wo er gerade Gottes Wort predigte. Meine Tante Emilie betrat zum erstenmal in ihrem Leben eine Kirche und hatte auch noch nie etwas von einer Kanzel gehört, darum glaubte sie der Pastor steht in einer Tonne. Als der Pastor das kleine hilflose Mädchen in der Kirchentür stehen sah, unterbrach er seine Predigt und sah sie aufmunternd an. Da bei uns nur Plattdeutsch gesprochen wurde, begann sie auch sofort zu sprechen und sagte folgendes.: “ Mann Gottes in de Tunn häst du Mudre nicht seie, Karl hät inschähte und mögt son grote Ogen as wenn hei noch mehr schiete will. “ ( Mann Gottes in der Tonne hast du mein Mutter nicht gesehen, Karl hat eingeschi.... und macht so grosse Augen als wenn er noch mehr schei.... will. ) Als meine Grossmutter erkannte wer dort in der Türe stand nahm sie ihre Tochter an die Hand und ging mit ihr nach Hause. Der Pastor konnte also mit seiner Predigt fortfahren. Dieses Ereignis blieb aber in unserem Dorf erhalten. Selbst in meiner Kindheit erzählten mir die alten Leute diese Geschichte immer wieder.

Kanzel mit Kind und Pastor

Wie das Dorf Kantreck zu seinem Namen kam.

Tatsache: Kantreck wurde um 1300 erstmals erwähnt und die Burg Siegelkow die in dieser Sage erwähnt wird wurde durch den König der Dänen zerstört. Beide Dörfer waren im Besitz der Herren von Köller

Die Sage lautet: Vor langer Zeit lebte auf der Burg Siegelkow der Raubritter von Köller mit seinen Mannen und machte die Gegend unsicher. Noch vor dem Dreissigjährigen Krieg belagerte der dänische König auch die Burg Siegelkow. Die Ritter der Burg wehrten sich mit allen Kräften aber die Übermacht der Dänen war zu gross. Als die Lebensmittel zur Neige gingen, entschloss sich die schöne Frau des Ritters von Köller, zum König der Dänen zu gehen, um Gnade für sich und ihren Mann zu erhalten. Der König blieb was ihren Mann betraf, unerbittlich, nur sie selbst könne die Burg mit dem, was sie auf dem Rücken tragen kann, verlassen. Darauf ging sie zur Burg zurück, wickelte ihren Mann in Stroh, band sich ihn auf ihren Rücken und zog los. Der Dänenkönig entdeckte wohl was sie auf ihrem Rücken hatte, hielt aber sein Wort: “ Was sie tragen könne, kann sie mitnehmen ”. Er sagte zu ihr: “ kann trecken “ was soviel heisst wie kann abziehen. Nach einiger Zeit hielt sie inne und sagte die Worte des Königs nach: “ kann trecken “ aber ihre Kraft war zu ende.

Sie liessen sich an dieser Stelle nieder, bauten ein Haus, bestellten das Land und bauten noch einige Unterkünfte für die Landarbeiter. Zur Erinnerung an die schwere Zeit gaben sie ihrem neuen Dorf, nach den zwei Worten des Dänenkönigs “ kann trecken “ von nun an den schönen Namen Kantreck.

Auch diese schöne Erzählung stammt von Gerhard Riemer seiner Grossmutter, eine geborene Wilke aus Pribbernow, wohnhaft in Hammer

Gut Kantreck

Das Gutshaus von Köller in Kantreck

Das heisse Brot

Nach Schulschluss überlegten mein Bruder und ich was wir am Nachmittag anstellen könnten, als sich Fritz Buchholz zu uns gesellte und uns mitteilte das er heute den kleinen Bach, der durch unser Dorf fliesst, bis zu seiner Quelle erkunden will.

Natürlich waren wir sofort dabei. Wir wanderten immer am Ufer des Baches entlang, durch das ganze Dorf. Als wir die Gärtnerei Bohnenstengel hinter uns gelassen hatten und die kleine Brücke zu den Feldern überquerten, kamen wir zu unserem Backofen der auf dem Feld am Ufer des Baches stand. Hier wurden wir plötzlich abgelenkt, durch einem wohltuenden Geruch, der in unsere Nasen stieg und ein grosses Hungergefühl in uns hervorrief. Sofort viel mir ein das meine Mutter, Tante Ida und Tante Emilie heute morgen mit der Schubkarre 12 Brote zum backen hergefahren hatten. Also würden wir ja keinen Diebstahl begehen wenn wir uns vor dem weitergehen noch einmal richtig satt essen würden. Wir öffneten die Türe, nahmen den Schieber und zogen ein Brot aus dem noch heissen Ofen. Ich benutzte mein Taschenmesser und schnitt das Brot in 3 gleich grosse Teile. Wir verschlangen das weiche, noch heisse Innere des Brotes und übrig blieb nur die äussere Kruste. Da wir aber doch ein schlechtes Gewissen bekamen, überlegten wir ob wir die Kruste wegwerfen sollten, damit keiner etwas merkt. Das ging leider nicht, weil jede Frau 4 Brote gebacken hatte. Plötzlich hatte ich eine gute Idee. wir suchten uns 2 Stöcke die nicht ganz so lang waren wie das Brot, steckten die

äusseren Brotkrusten so kunstgerecht auf die Stöcke das es aussah wie ein normaler Brotlaib, nahmen den Brotschieber und legten es an hinterster Stelle in den Ofen zurück. Wir tranken noch etwas Wasser aus dem Bach und wollten gerade weitergehen als Fritz anfing zu jammern, er hat plötzlich grosse Bauchschmerzen und kann nicht weiter mit gehen. Alleine hatten wir auch keine Lust mehr und gingen gemeinsam nach hause. Wir waren aber noch nicht ganz zu hause angelangt als auch bei mir und meinem Bruder die Schmerzen einsetzten. Als wir unsere Mutter sagten das wir grosse Bauchschmerzen haben, gab sie uns eine Löffelspitze Natron und wollte wissen was wir zuletzt gegessen haben. Natürlich nichts. Gegen Abend zogen die 3 Frauen los um die Brote zu holen. Wenn wir keine Magenschmerzen mehr hätten sollten wir doch mit kommen. Wir lehnten aber ab, unsere Schmerzen wären noch zu gross. Als die Frauen zurück kamen, rief gleich unsere Mutter nach uns und sagte nur wie könnt ihr nur so dumm sein und das heisse Brot essen, davon habt ihr auch die Magenschmerzen. Übrigens die 2 Stöcke habe ich mitgebracht und werde euch damit den Hintern versohlen. Lachte dann aber und ging weiter.

Backofen 1

Pommerland ist Heimatland

Friedhof Dischenhagen

Anekdoten3

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